British Columbia, Kanada: Bäume, Berge und noch mehr Regen

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851 km und 7.148 Höhenmeter (11.454 km und 71.557 m Höhenmeter insgesamt / Karte: Google Maps)

13. -29. Juni 2016 – In Watson Lake pausierten wir für ein Paar Tage, um unsere Batterien wieder aufzuladen, Wäsche zu waschen und E-Mails zu checken. Endlich konnten wir auch wieder den Luxus eines richtigen Supermarktes genießen und Obst und Gemüse kaufen. WLan gab’s bei der Touristinformation umsonst. Außerdem erhielten wir einen Zettel mit detaillierten Streckeninformationen und wussten genau, wo wir auf dem letzten Stück des Alaska Highways etwas zu essen kaufen konnten. Auf dem Campingplatz trafen wir Vanda, die ihren Ruhestand in einem riesigen Campingbus verbrachte und durch Nordamerika reiste. Bei ihre durften wir abends unsere Essenstaschen lagern, da es auf dem Campingplatz keine Schließfächer dafür gab. Um uns herum gab es viel zu viele Bären und wir wollten kein Risiko eingehen.

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Riesige LKWs auf dem Alaska Highway

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Wieder ein Staat in Kanada abgehakt 🙂

Als wir von Watson Lake aufbrachen wussten wir, dass wir die nächsten 200km durch pure Wildnis fuhren und so nahmen wir Essen für drei Tage mit. Das schlechte Wetter ging leider weiter und wir wurden jeden Tag patschnass. Auch das stetige Auf und Ab wollten kein Ende nehmen. Leider versperrte uns das schlechte Wetter die Sicht auf schneebedeckte Bergketten. Mittlerweile hatten wir den nördlichsten Teil der Rocky Mountains bereits überquert und den ganzen Tag sahen wir nichts als öde Tannen wohin auch immer wir blickten. Die erste Nacht verbrachten wir hinter einer heruntergekommenen Tankstelle, wo wir uns spärlich in der dreckigen Mini-Toilette waschen konnten. In der zweiten Nacht schafften wir es zu einem ganz netten Campingplatz und wir waren froh, dass wir duschen konnten, so durchgenässt und durchgefroren wie wie waren. Im Restaurant aßen wir wohl den kleinsten und damit auch teuersten Hamburger mit einer 5-$-Salatbeilage, die für uns dauerhungrige Radler eher wie Dekoration aussahen. Mit knurrenden Mägen gingen wir schlafen und machten am nächsten Morgen unser eigenes Frühstück, um nicht auch noch hungrig weiterradeln zu müssen.

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Viele wilde Tiere am Straßenrand – dieses Mal eine Gruppe riesiger Büffel…
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… und der ein oder andere Bär durfte natürlich auch nicht fehlen.

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Regenradeln….
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…das kein Ende nehmen will.

Jetzt freuten wir uns auf die Liard Hot Springs, da wir wussten, dass wir hier wieder etwas zu essen kaufen konnten und in den 45-Grad heißen Quellen baden wollten. Das Wetter war nach wie vor miserabel, aber die Landschaft wurde deutlich spektakulärer mit einem reißenden Fluß unter uns und dramatischen Wolkenformationen. Klatschnass und völlig durchgefroren erreichten wir die Liard Hot Springs nur um feststellen zu müssen, dass der Laden so rein garnichts zu Essen verkaufte außer Marmelade für 9$ und Chips. Das Restaurant war zu allem Überfluss geschlossen. Wir waren völlig schockiert, da wir uns auf die Touristinformation verlassen hatten und daher fast nichts mehr zu essen übrig war.

Die nächste Möglichkeit aufzustocken war erst nach  100 schweren Kilometern. Die Verkäuferin erzählte uns andauern, wir könnten doch einfach 50km zurückfahren, dort gäbe es einen kleinen Laden. Sie schien irgendwie nicht zu kapieren, dass wir mit den Rädern nicht einfach Mal so hungrig zurückfahren können. Eine weitere Frau hörte unser Gespräch und bot uns an, uns auszuhelfen. Sie fuhr auf den gegenübergelegenen Campingplatz und kam kurz darauf mit zwei Flaschen Bier, Dosentomaten, Bohnen, Kartoffelpüree, Brot und Würstchen wieder. Ein weiterer Mann bot uns ebenfalls Essen an und so bekamen wir noch gefriergetrocknetes Armeeessen und Energieriegel. Wir waren völlig überwältigt von der Großzügigkeit dieser Menschen, die wir gerade erst getroffen hatten. Und es kam noch besser: Es regnete noch immer stark und wir radelten durch den Campingplatz bei den heißen Quellen nur um festzustellen, dass mittlerweile alle Plätze vergeben waren. Ein kanadisches Ehepaar sah uns und bot uns ein Plätzchen auf seinem Stellplatz an. Und so verbrachten wir einen wunderschönen Nachmittag und Abend mit Kanadiern – unser Glaube an das Gute im Menschen wurde definitiv an diesem Tag wieder hergestellt.

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Oh, noch ein Bär!
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Riesige Schilder warnen vor ebenso riesigen Tieren

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Am Muncho Lake gönnten wir uns bei einem Resort eine kleine Hütte und ein exzellentes Abendmenü im Hotel, das von einem Schweizer Ehepaar geführt wird, da wir die Kälte und den Regen satt hatten. Am folgenden Tag trafen wir Keith aus Schottland auf seinem Liegerad, der in 10 Monaten von Alaska nach Südamerika radeln möchte. Wir ließen uns von seinem Enthusiasmus und seiner positiven Natur gerne anstecken, unsere Moral war derzeit nicht die Beste. Wir trafen ihn noch einige Male unterwegs bevor er sich in Richtung der kanadischen Prärie machte und wir wieder in die Rocky Mountains abzweigten.

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Muncho Lake
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… und was noch von einem verlassenen Campingplatz am Muncho Lake übrig ist.
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Mit Sicherheit eine tolle Art und Weise, um die Rockies von oben aus einem Wasserflugzeug zu bestaunen – wenn man das nötige Kleingeld dafür hat.
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Unsere kleine Hütte am Muncho Lake

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Entlang des friedlichen Muncho Lakes an einem der wenigen perfekten Sommertagen
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Noch einmal Pause machen, bevor es einen weiteren Berg zu bezwingen gilt
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Neugierige Bergschafe, obwohl ich finde, dass sie eher wie Ziegen aussehen.
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Noch ein verlassenes Lokal
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Keith holt auf
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Und hier ist er mit seinen 2 Helmkameras als Zusatzöhrchen 🙂

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In Fort Nelson blieben wir wieder ein Paar Tage auf dem Campingplatz, da es wieder Mal aus allen Kübeln schüttete. Dort erhielten wir fast Platzverweis, da wir es wagten, das kostenlose WLan zu nutzen. Da es so stark regnete und es auf dem Campingplatz außer einem Restaurant keine Möglichkeit gab, Schutz vor dem Regen zu suchen geschweige denn zu kochen, saßen wir den ganzen Tag im Restaurant und aßen auch jeder drei Mahlzeiten. Und natürlich lasen wir auch unsere E-Mails oder checkten Nachrichten (für Blog-Updates war das WLan viel zu langsam). Zweimal wurden wir an diesem Tag darauf hingewiesen, das Internet nicht zu nutzen und am nächsten Tag wurden wir nochmals darauf angesprochen. Ich ärgerte mich so, dass ich mich beschwerte, immerhin gaben wir hier genug Geld aus. Als Antwort bekamen wir nur, dass wir gerne auch abreisen könnten, wenn es uns nicht passte!

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Auf demselben Campingplatz bekamen wir an einem Nachmittag Besuch von einem Amerikaner. Johan war nicht besonders gut gelaunt und antwortete entsprechend kurz angebunden auf die vielen Fragen. Er erzählte auch, dass wir so enttäuscht über die Unfreundlichkeit der Menschen hier im Land waren, verglichen mit den Menschen in Asien oder im Nahen Osten. Etwas später erzählte uns der Mann, dass seine Frau ihn geschickt hatte, um die “Teenager” zu fragen, ob sie nicht in ihrem Campingbus schlafen wollten, wenn es später immer noch so stark regnete. Wir mussten dann doch sehr lachen und plötzlich zog der Mann seine Geldbörse aus der Hose, drückte Johan 40 Dollar in die Hand und sagte, das sei für unser Abendessen. Er dankte uns für die Unterhaltung und lief davon. Konsterniert schauten wir uns an, freuten uns dann aber doch über ein Abendessen im Restaurant. Am Abend dann saß die Familie am Tisch neben uns, ohne uns zu beachten. Wir fanden das dann doch eine etwas seltsame Situation – wir hätten eher erwartet, dass wir gemeinsam essen oder dass sie für uns kochen würden, waren aber dennoch sehr dankbar für diese freundliche Geste.

Nach drei Tagen konnten wir endlich weiterziehen, der Stark- und Dauerregen war endlich vorbei. Wir genossen unseren ersten regenfreien Tag seit Wochen. Gegen Ende des Tages – wir fuhren gerade unseren letzten Hügel hoch – hielt neben Johan ein Auto. Zwei Frauen luden uns zu einer Party im nahegelegenen Dorf ein. Da wir sowieso bereits nach einem geeigneten Schlafplatz Ausschau hielten überlegten wir nicht lange und fuhren hinterher. Zehn Minuten später schaufelten wir Hamburger und Salat in unsere hungrige Mägen. Wir waren in einem sogenannten First Nations Dorf (First Nations werden in Kanada die Ureinwohner genannt) und sie feierten gerade mit viel Essen und alkoholfreien Getränken (noch immer haben viele Eingeborenen Alkoholprobleme), Tanz und Musik ihren Vertragsabschluss mit den Weißen, der ihnen vor zig Jahren mehr Rechte gab. Bei einem dieser Eingeborenen durften wir sogar übernachten. Alle waren hier sehr freundlich und sie wollten uns auch gar nicht mehr gehen lassen. Trotzdem zogen wir am nächsten Morgen nach einem ausgedehnten Frühstück und mit einem dicken Lunchpaket von dannen.

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In diesem Container im Hintergrund durften wir bei den Eingeborenen übernachten.
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Traditionelle Musik mit den First Nations.
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Nichts für Zartbesaitete, aber gehört zur Tradition: Das Schlachten und Essen eines Elches
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Alles wird hier gegessen – der Rest des Elches befand sich im Räucherhaus oder auf dem Grill.

Ab hier wurde die Landschaft noch langweiliger, mit unendlichen Hügeln und  Wäldern und der Verkehr nahm auf einmal auch dramatisch zu. Vor allem Holztrucks rasten mit hoher Geschwindigkeit an uns vorbei. Das Radeln machte überhaupt keinen Spaß mehr und zu allem Überfluss bekam ich auch wieder Probleme mit dem Knie.

In Oneowon stellten wir uns schließlich an den Straßenrand und strecken den Daumen raus. Innerhalb von fünf Minuten hielt ein Pickup-Truck und wir ersparten uns zwei langweilige und wahrscheinlich auch gefährliche Radeltage. Tom arbeitet in der Öl-und Gasindustrie und war auf dem Weg in die Stadt, um seine Frau zum Abendessen zu treffen. Dort angekommen, luden sie uns zu einer Pizza ein und seine Frau fuhr mit uns weiter nach Dawson Creek – Meile 0 des Alaska Highways. Wir hatten zwar ein richtig schlechtes Gewissen, dass wir die letzten 140 km nicht selbst geradelt sind, waren aber aufgrund des sehr starken Verkehr doch froh über unsere Entscheidung.

Und es kam noch besser. Tom und Shirley leben in Edson, Alberta und so durften wir nach ein Paar Tagen weitere 500 km mitfahren und vermieden einen eher langweiligen und stark befahrenen Teil Kanadas. Sie brachten uns auf einen Campingplatz und am nächsten Tag konnten wir weiter aus eigener Kraft in Richtung Rocky Mountains und Jasper radeln.

Dawson Creek, Meile 0 des Alaska Highways: 

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Another rainy day
Regen, Regen, Regen…
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… aber zum Glück gab es auf diesem Campingplatz ein kleines Schutzhäuschen.
Finally arrived in Etson after a long ride
Nach langer Fahrt in Edson