30. September – 8. Oktober 2015 – Nach vier Tagen in Samarkand, von denen Johan fast die Hälfte der Zeit im Bett beziehungsweise auf der Toilette mit schlimmem Durchfall verbracht hat, machten wir uns wieder auf den Weg in die 270km entfernte Stadt Bukara, ein weiteres Highlight auf der Seidenstraße. Am ersten Tag passierte nicht wirklich viel, wir fuhren auf guten und leicht hügeligen Straßen an Baumwollfeldern entlang und am Nachmittag gegen den Wind. Wir übernachteten bei einer usbekischen Familie in einem riesigen Haus und zum ersten Mal gelang es uns, Brot und Süßigkeiten abzulehnen. Und zum ersten Mal gab es sogar ein Badezimmer – die Ausstattung war zwar sehr einfach, aber immerhin konnten wir uns waschen und sauber ins Bett gehen. Auch der zweite Tag begann unspannend. Die einzige Abwechslung war die Begegnung mit einem lustigen Südkoreaner, der am Internationalen Flughafen arbeitete, an dem wir gerade vorbeiradelten. Er war mit einem Golfschläger unterwegs, um die Hunde in den Dörfern abzuwehren. Wir hatten eine sehr lustige Unterhaltung und hätten ewig weiterreden können, mussten aber leider weiter, da es für uns an der Zeit war, uns um einen Schlafplatz zu kümmern.






Die Suche nach einem Schlafplatz stellte sich allerdings als etwas schwieriger heraus als erwartet. Das 4-Sterne-Luxushotel, wo Zimmer 60 Dollar kosten, ließen wir links liegen. Könnten wir hellsehen, wären wir geblieben und hätten den Rest des Tages in Luxus gebadet. Anstelle fuhren wir weiter und hielten an einem Neubaudorf, um einen Zeltplatz zu finden. Leider schickten uns alle weiter außer einer älteren Frau, die bei der Polizei arbeitete und uns ein Zimmer in ihrem Haus für 50 Dollar anbot. Dieses allzu großzügige Angebot lehnten wir ab und fuhren ins nächste Dorf. Viele Fragen und fast ebenso viel Kopfschütteln später, lud uns eine Familie zu sich ein. Der Hausfrau übergaben wir unsere Tütensuppen, da wir nicht wollten, dass sie für uns kocht, da dieses Haus etwas ärmer aussah, und zum ersten Mal setzte sich die ganze Familie mit uns zum Essen an den Tisch. Wir bekamen auch unsere Nudelsuppe, mussten danach aber weiter mit der Familie essen. Dieses Mal gab es Kohl mit Würstchen. Im Laufe des Abends schaute der Rest der Familie und alle Nachbarn vorbei, um uns zu bestaunen und gegen 20 Uhr durften wir uns schlafen legen. In etwa eine Stunde später klopfte es plötzlich an der Tür, unser Gastgeber kam ins Zimmer und schrie aufgeregt: “Palatka, you go, go!”. Irgendjemand musste uns bei der Polizei verraten haben und die Familie bekam Schwierigkeiten. So schnell es ging packten wir unsere Siebensachen und radelten in unseren Schlafanzügen so schnell es ging in die Nacht in Richtung Schnellstraße. Unmöglich hätten wir unser Palatka (Zelt) hier in den Feldern aufschlagen können, das wussten wir vom Nachmittag. Wir erinnerten uns aber an eine kleine überdachte Plattform neben dem Schnellweg und da wollten wir hin. Da es wirklich stockdunkel war und wir absolut nichts sehen konnten, mussten wir mehrere Hundert Meter auf dem Standstreifen entgegen der Fahrtrichtung radeln. Leider ließ uns der Besitzer auch hier nicht zelten, da half kein Bitten und Betteln. Sie schickten uns zurück ins Hotel. Genervt schoben wir unsere Räder auf die richtige Fahrbahnseite und radelten die fünf Kilometer zurück zum Hotel durch die unheimliche Dunkelheit. Wir bekamen ein sehr schönes, sauberes und luxuriöses Zimmer mit weichen Betten, weißen Bettlaken, weichen Kissen und einem funktionierenden Badezimmer mit weißen Handtüchern, einer richtigen Dusche, einem Waschbecken und einem Klo, wie wir es gewohnt sind. Trotzdem gingen wir ungeduscht gegen 22:30 Uhr schlafen, das konnte bis zum nächsten Morgen warten.

Zu unserer großen Freude konnten wir unser Hotelzimmer in usbekischen Sum bezahlen und so zahlten wir aufgrund unserer sehr guten Tauschkurses nur 30 Dollar. Nach einer ausgiebigen Dusche plünderten wir das Frühstücksbuffet. Johan aß in der Tat so viel, dass später die Klobrille in Tausend Teile zerbrach. Und nicht nur das, nach dem Frühstück hatten wir plötzlich weder Strom noch Wasser und wir mussten uns die Zähne wieder einmal bei Stirnlampenlicht und mit unserem eigenen Wasser putzen. Beim Auschecken beschwerte ich mich und die Rezeptionistin beantwortete alle meiner Kommentare nur mit “Yes”. Johan meinte dann nur, dass sie kein Wort Englisch spräche und ich gab schließlich auf. Fünf Minuten später kam sie plötzlich auf uns zugerannt und forderte in perfektem Englisch 25.000 Sum (5$) von uns für die kaputte Klobrille. Wenn’s um’s Geldeintreiben geht, klappt es auf einmal mit dem Englischen. Nach einer kurzen Diskussion machten wir uns dann auf den Weg, ohne zu bezahlen. Gegen Mittag erreichten wir dann Bukara. Johans Geburtstag verbrachten wir in Zentralasiens heiligster Stadt mit Gebäuden, die auf eine 1000-jährige Geschichte zurückblicken. Laut Reiseführer ist die Stadt auch eine der Besten, um eine Vorstellung vom vorrussischen Turkestan zu bekommen.





Eindrücke von Bukara:








Da wir nicht davon ausgingen, irgendwann in naher Zukunft nach Usbekistan zurückzukehren, fuhren wir mit dem Taxi in das 600km entfernte Kiva im Norden Bukaras. Diese Stadt an der Seidenstraße ist berühmt-berüchtigt für ihre Sklavenkaravanen, barbarischen Grausamkeiten, schrecklichen Wüstenreisen und Steppen, die von wilden Stammesangehörigen heimgesucht werden. Für uns war die Stadt wie ein Freilichtmuseum mit gut erhaltenen Minaretten, Medressen, Moscheen und langweiligen Museen und wir kamen uns ein bisschen vor, als wären wir in ein anderes Jahrhundert eingetaucht, wenn da nicht die vielen Souvenirläden und Cafes gewesen wären. Hier haben wir auch Christian aus Frankreich wiedergetroffen und verabredeten uns zum Abendessen. Er ist mit seinem Geländewagen von Frankreich aus bis Zentralasien gefahren und war nun mehr oder weniger auf derselben Route unterwegs wie wir. Am Vormittag hatten wir einen Tisch im besten Restaurant am Platz gebucht und dachten, dass es sicherlich kein Problem sei, zu dritt aufzutauchen. Wir sollten uns täuschen. Es dauerte geschlagene 15 Minuten, bis der Kellner schließlich nachgab und verärgert einen dritten Stuhl an unseren Tisch stellte. Nach Wochen kulinarischer Entbehrungen und der Einnahme von Laghman (Nudelsuppe), Plov (gebratener Reis) und Manty (mit Fleisch gefüllte Knödel) bestellten wir Hamburger. Schon beim Gedanken daran lief uns das Wasser im Mund zusammen. Umso größer war unsere Enttäuschung als unsere Teller ankamen, auf denen je zwei Frikadellen, Reis, Kartoffelpüree und ein Salatblatt lagen. Schmunzelnd über unsere eigene Naivität verbrachten wir einen netten Abend mit Christian. Und zu unser aller Überraschung bekamen wir ein Dessert auf’s Haus – wahrscheinlich wurde dem Personal bewusst, dass sie sich nicht wirklich korrekt verhalten hatten.
Eindrücke von Kiva:

Johan sucht nach dem richtigen Outfit 🙂

Am nächsten Morgen schlenderten wir noch ein wenig durch die Stadt und ärgerten uns ein weiteres Mal über die nicht vorhandene Service-Kultur. Wir gingen in ein Cafe und die erste Frage, die uns entgegensprang war: “Gehören Sie zu einer Gruppe?”. Unsere übliche Antwort “Ja, unsere Gruppe besteht aus genau zwei Personen und selbst diese Gruppe ist manchmal zu groß,” fand der Kellner nicht wirklich lustig. Ganz im Gegenteil: Die Enttäuschung stand ihm ins Gesicht geschrieben. Wir durften uns an einen Tisch setzen, wurden aber nicht bedient, obwohl wir mehrfach versuchten, Kaffee zu bestellen. Eine Gruppe, die kurz nach uns ankam, wurde sofort bedient. Normalerweise wären wir spätestens jetzt aufgestanden und gegangen, aber da es hier die einzig funktionierende WLan-Verbindung kam, rissen wir uns zusammen und blieben, denn ich musste noch dringend ein Paar wichtige E-Mails verschicken. Den Nachmittag verbrachten wir dann wieder im Taxi auf dem langen Rückweg nach Bukara, um uns wieder zu unseren Rädern zu gesellen.
Und wieder war es an der Zeit, ein Land zu verlassen, da unser Transitvisum für Turkmenistan ab dem 9. Oktober gültig war. Mit nur fünf Tagen Zeit, um das Land zu durchqueren wollten wir sichergehen, dass wir die Grenze so früh wie möglich passieren. Wir hatten zwei Tage Zeit, um die 100km entfernte Grenze zu erreichen und verließen Bukara am frühen Nachmittag, radelten bis 17 Uhr und zelteten unter Apfelbäumen. Leider stellten wir in dieser Nacht fest, dass unsere Matratzen leckten und gegen Mitternacht lagen wir auf dem harten Boden. Das waren keine guten Aussichten, denn wir mussten in Turkmenistan die Wüste durchqueren und würden die nächsten Tage zelten ohne die Gelegenheit zu haben, die Matratzen zu reparieren. Nach einer wirklich schlechten Nacht fuhren wir am nächsten Morgen schlecht gelaunt los. Denn zu allem Unglück kam auch noch Gegenwind dazu. Gegen Mittag wurde der Gegenwind zu einem Sandsturm, die Luft war komplett gelb und sandig, unsere Sicht sehr begrenzt und die ganze Atmosphäre irgendwie unheimlich. Wir kämpften hart gegen den Wind, um rechtzeitig an der Grenze anzukommen, obwohl wir nur eine Distanz von 60 km überwinden mussten. Zehn Minuten vor Schließung der Grenze kamen wir an, was für uns eindeutig vorteilhaft war, denn die Grenzbeamten hatten keine Lust auf Überstunden und so blieben unsere Taschen geschlossen und innerhalb von 20 Minuten waren wir offiziell aus Usbekistan ausgereist.

Wir hatten viele schöne und wenige schlechte Erfahrungen in Usbekistan. Obwohl sich das Land langsam für den Tourismus öffnet, ist es noch immer ein streng geführter Polizeistaat. Trotzdem fühlten wir uns willkommen, sei es durch die zahlreichen Begrüßungen, wenn wir durch die Dörfer radelten, ein Lächeln mit blitzend goldenen Zähnen, die vielen Einladungen zum Tee, Kinder, die uns kreischend hinterherliefen oder -radelten, die vielen Menschen, die uns zu sich nach Hause einluden und Mahlzeiten mit uns teilten oder die uns beim Vorbeiradeln Obst oder Brot schenkten. Die Städte Samarkand, Bukara und Kiva haben uns mit ihrer sagenhaften Architektur stark beeindruckt. Wir waren positiv überrascht von den tollen Landschaften bis Samarkand, was danach kam, war dann leider eher langweilig, da die Landschaft von Baumwollfeldern und wenig beeindruckenden Wüstenlandschaften dominiert wird. Der Staat selber verwaltet sich fast zu Tode, wir gehen davon aus, dass dies noch aus alter Sowjetzeit herrührt. Unsere Pässe waren voll mit kleinen Hotelzettelchen, die von den Hotelmanagern penibel ausgefüllt, bestempelt und unterschrieben waren. Als Johan bei einer Bank Geld abhob, musste er zahllose Papierfetzen unterschreiben, die von einem Bankangestellten zum anderen gereicht wurden, bevor er endlich seine Dollars bekam.