
25. November – 9. Dezember 2015 – Wir konnten es kaum erwarten, endlich das Meer zu sehen und waren sehr neugierig, was uns erwarten würde. Denn weder unsere zwei Reiseführer noch unsere Internetrecherche lieferten irgendwelche hilfreichen Informationen. Würden wir an einer Gasförderanlage nach der anderen vorbeifahren? Würde es sehr einsam werden mit nur wenigen Dörfern und noch weniger Menschen? Oder würde es sogar gefährlich werden, immerhin wurden wir ja vor Ali Baba gewarnt?
Nach ein Paar weiteren sich windenden Straßen und mehrfachem Auf und Ab erreichten wir endlich die Küste. Das erste Dorf war sehr hübsch mit einem kleinen Strand und vielen Fischern. Wir füllten unsere Vorräte auf, mussten aber leider auf der Hauptstraße weiterfahren, da dies die einzige Küstenstraße war. Auf einmal war es wieder heiß mit Temperaturen von bis zu 30 Grad. Wir fanden das zwar super, mussten uns aber trotzdem erst wieder daran gewöhnen, kamen wir doch aus den Bergen mit Nachtfrost, wo am Vorabend noch stark geheizt wurde. Kaum hatten wir das Dorf verlassen, wurde die Landschaft schrecklich: Den ganzen Tage fuhren wir an einer Förderanlage nach der anderen vorbei. Wir konnten das Gas riechen, alles fühlte sich hier sehr ungesund an und wir dachten schon, unser Albtraum sei in Erfüllung gegangen. Später erfuhren wir, dass die Gasförderanlagen eine der Größten der Welt sind. Wir hatten noch die Ali Baba-Warnungen im Hinterkopf und so buchten wir uns in Assalouyeh in einem viel zu teuren Hotel ein. Jetzt waren wir noch mehr gespannt auf die kommenden 400km, da wir befürchteten, es würde genau so weitergehen.







Aber so ging es nicht weiter. Tatsächlich fanden wir, dass dies landschaftlich der schönste Streckenabschnitt für uns im Iran war. Irgendwie sah alles wie im Grand Canyon in den USA aus mit roten Felsen und Schluchten, nur ein bisschen kleiner und als Zusatzbonus das Meer. Entlang des Meeres fuhren wir von einem Fischerdorf ins andere und kamen aus dem Staunen nicht heraus. Noch immer hatten wir Angst, dass uns nach der nächsten Biegung Ali Baba begegnen würde, aber er wahr wohl mit anderen Dingen beschäftigt und nicht sonderlich an uns Radlern interessiert.





Zwei Tage verbrachten wir in einem kleinen Dorf, da wir zufällig entdeckten, dass es dort einen Warmshowers Host gibt. Warmshowers ist eine Organisation, die Radfahrern Übernachtungsmöglichkeiten und oft auch Essen bietet, und das umsonst. Da wir Mehran erst am Vortag angeschrieben hatten, konnte er nicht vor 20 Uhr von der Arbeit zurück sein und so wurden wir von den Dorfbewohnern begrüßt, setzten uns neben die Straße, tranken gemeinsam Tee und aßen Obst. Mehran schrieb uns, dass uns entweder sein Vater oder sein Onkel, ein Lehrer, abholen würde. Als dann ein Englischlehrer ankam und uns drängte, schnell mitzukommen, dachten wir natürlich, dass das Merans Onkel sei. Allerdings war dem nicht so, der Lehrer hatte nur gerne ausländischen Besuch! Dies erfuhren wir, als Mehran später vorbeikam und fragte: “Wer hat meine Gäste gestohlen?” Es zeigte sich, dass Hassan, der Englischlehrer, ein wenig paranoid war. Er hatte eine harte Vergangenheit, wurde zu Studentenzeiten wegen seiner Anti-Regierungseinstellung gefoltert. Ständig betonte er, dass er seit zehn Jahren Tabletten gegen seine Depression nimmt. Als er uns dann irgendwann fragte, ob wir eigentlich wüssten, dass Merkel früher als Spion für den KGB tätig war – er begründete dies mit ihren hervorragenden Russischkenntnissen – zweifelten wir doch an den manchmal fragwürdigen Aussagen zum Iran. Trotzdem war Hassan ein sehr lieber und hervorragender Gastgeber und wir hatten eine sehr schöne Zeit mit ihm und seiner Frau, die uns fürstlich bekochte.






Den zweiten Abend verbrachten wir dann schließlich mit unserem eigentlichen Gastgeber, Mehran, der für den Nachmittag noch eine kleine Radtour mit den Dorfkindern organisiert hatte. Wir hatten einen sehr schönen Abend mit Mehrans Eltern, da sein Vater, ein Schriftsteller, sehr gebildet ist und sich hervorragend mit Literatur und vielen anderen Dingen auskennt. Er stellte uns viele Fragen über unsere Kultur, Politik, westliche Ansichten zu Weltereignissen und wir hatten den ganzen Abend lange Diskussionen. Herzlichen Dank an Mehran und Maria für die schöne Zeit bei euch!



Hier haben wir dann auch erfahren, dass der Küstenabschnitt sehr sicher zum Reisen ist, und dass das, was wir vorher hörten, nur Blödsinn war. Und wieder einmal ist alles nur auf die Religion zurückzuführen: Der Großteil der Iraner sind Schiiten und die Sunniten leben fast alle am Persischen Golf. Sunniten werden im Land oft diskriminiert und haben nicht denselben Zugang zur Infrastruktur. Die Straßen sind hier beispielsweise in einem viel schlechteren Zustand und es gibt auch nicht überall wie selbstverständliche Elektrizität oder fließendes Wasser. Die Sunniten hier sprechen in der Regel Arabisch und werden oft abfällig als Araber bezeichnet. Daher also diese Animositäten.
An einem Abend, als wir wieder einmal auf der Suche nach einem Schlafplatz waren, führte uns ein älterer Mann zu einer Moschee. Nachdem er mich zweimal ‘aus Versehen’ berührt hatte – ein Unding für Moslems – bot er Johan Geld für mich an. Johan gefiel das natürlich überhaupt nicht und war besorgt, dass der Mann irgendwann plötzlich in der Nacht auftauchen würde und so akzeptierten wir dankbar das Angebot eines (echten) Arabers, der hier im Dorf lebt und arbeitet, bei ihm zu übernachten.
















Nach mehr als einer Woche in dieser abgelegenen und umwerfenden Gegend fuhren wir mit der Fähre auf die Insel Queshm, wo wir wieder ein Paar Tage in einem Gasthaus verbrachten. Dort haben wir zwei weitere Reiseradler getroffen, radelten und liefen durch einen Unesco Geopark bevor wir uns wieder auf die Rückreise nach Bandar Lengeh machten, um mit der Fähre nach Dubai zu fahren.







Im Unesco Geopark:













Unsere zwei Monate im Iran waren mit vielen schönen Begegnungen mit den gastfreundlichsten Menschen, die wir je getroffen haben, gefüllt. Trotzdem sind die Menschen hier sehr unsicher. Noch nie wurden wir so oft gefragt, der Welt doch mitzuteilen, dass Iraner gute Menschen sind. Die Menschen hier sind sehr stolz auf ihre Herkunft, aber nicht auf ihre Regierung. Über Politik wird nicht gerne geredet, sei es, weil sie Konsequenzen befürchten oder weil sie Angst vor unserer Meinung haben. Noch müssen im Iran viele humanitäre Probleme gelöst werden, Meinungsfreiheit gibt es hier nicht, die Medien werden von den Mullahs kontrolliert und das Internet ist in einem Ausmaß zensiert, dass es wirklich selbst uns sehr genervt hat. Der Iran wird von konservativen Geistlichen regiert, der Präsident ist deren Marionette.
Aufgrund des sehr starken Verkehrs und der Tatsache, dass es nicht so viele ruhigere Straßen gibt, ist das Land nicht unbedingt ein Traum für Radler, trotzdem fühlten wir uns fast immer sicher auf den Straßen. Wir waren dann doch traurig, dieses gastfreundliche Land verlassen zu müssen, aber auch sehr gespannt darauf, was uns nun in den Vereinten Arabischen Emiraten erwarten würde.
Tolle Fotos und sehr interessante Schilderungen. Vielen Dank.
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