3. August – 8. September 2015 – Der Pamir Highway ist eines der Highlights unserer Reise, daher berichten wir über die wichtigsten Geschehnisse in insgesamt vier Teilen anhand unserer täglichen Tagebucheinträge.

Tag 10: Murghab – Alichor: 107km, 841 Höhenmeter
Früher Start und super Wetter: kein Wind und wieder einmal strahlend blauer Himmel. Kurz nach Murghab passieren wir unseren ersten Militär-Checkpoint, da wir jetzt durch die Autonome Gorno-Badakhshan Region radeln, wofür eine Sondergenehmigung notwendig ist. Unser Pässe werden gründlich überprüft, die Daten in ein großes Buch übertragen und zehn Minuten später dürfen wir weiterziehen. Gleich fahren wir auch unseren ersten Pass hoch, was allerdings lächerlich einfach ist, da wir nur von 3.500m auf 3.600m steigen. Danach geht es hügelig weiter durch ein Tal. Immer wieder fahren wir durch kleine Schluchten und um uns herum sehen wir nur rote Berge. Vegetation ist wie seit Tagen kaum vorhanden, außer ein Paar Disteln, Sukkulenten und Gräsern wächst hier nichts. Nach dem zweiten Pass auf 4.100m über dem Meeresspiegel kommen wir uns ein bisschen vor wie im Film “Und täglich grüßt das Murmeltier”, da sich die langweilige Landschaft Kilometer um Kilometer wiederholt: erst geht es nach oben, dann kommt eine Linkskurve, dann wieder nach unten, eine Rechtskurve und das Spiel beginnt von vorne. Gegen 15 Uhr beginnt der Wind wieder sein Spiel gegen uns, trotzdem kommen wir gut voran und schaffen es sogar bis zum nächsten Homestay, wo wir ein Zimmer bekommen, in dem wir essen, uns waschen und schlafen. Zum Waschen bekommen wir zwei Eimer, von denen einer mit warmem Wasser gefüllt ist. Unser Zimmer ist übrigens auch Handy-Ladestelle. Während Johan gerade nackt in einem Eimer steht, um sich zu waschen, versucht ein nach dem anderen Bewohner des Hauses, den Ladestatus des Telefons zu überprüfen. Geklopft wird natürlich nicht, jeder stürmt einfach so ins Zimmer. Um weitere Peinlichkeiten zu vermeiden, bewachen wir nun abwechseln die Tür, bis wir beide gewaschen sind. Das Checken der Telefone geht übrigens die ganze Nacht weiter. Diesen Abend haben wir viel Spaß und viele neue Ideen für unser eigenes B&B gesammelt, wenn wir wieder zurück sind.





Tag 11: Alichor – Kharghush Pass: 62 km, 773 Höhenmeter
Nach 25km verlassen wir die asphaltierte Straße und den Pamir Highway, um durch das Wakhan-Tal entlang der afghanischen Grenze und des Flusses Pamir zu radeln. Andere Radler meinten, wir bräuchten uns um die Taliban keine Sorgen zu machen, da sie nicht schwimmen könnten. Also machen wir uns auch keine Sorgen! Die Tour beginnt auf einer recht schlechten und sandigen Straße, über Felsen, hoch und runter und wieder hoch, an Salzseen vorbei bis wir schließlich den Pass erreichen. Wir haben extremen Gegenwind, die Straße ist extrem steil und so schieben wir unsere Räder öfter als uns lieb ist. Nach dem Gipfel sind Wetter und Straßen nicht viel besser, aber zumindest geht es abwärts und so radeln wir weiter, da wir so niedrig wie möglich unser Zelt aufschlagen möchten. Wir kommen an einem weiteren Checkpoint vorbei, wo bewaffnete Soldaten dieses Mal nach Zigaretten und Kopfhörern fragen, und schlagen später unser Zelt mit Blick auf Afghanistan und den Fluss Pamir auf. Die Verkehrslage ist heute sehr entspannt: wir treffen fünf französische Radler und drei Autos fahren an uns vorbei.







Tag 12: Kharghush bis Irgendwo im Nirgendwo: 22km, 152 Höhenmeter
An diesen Tag denken wir nicht gerne zurück. Wieder einmal extrem starker Gegenwind und eine zum wahnsinnig werdend schlechte Straße verhindern jegliches Vorankommen. Um 15 Uhr kracht es gewaltig: Johan möchte unbedingt noch 9km weiterradeln – obwohl wir in der letzten Stunde nur 3km geschafft haben – und ich möchte für heute stoppen, da wir die letzten Tage bis zum Limit geradelt sind. Kurz danach finden wir ein perfektes Lager versteckt unter Bäumen und neben einem Fluss. Nachts schreckt Johan auf, da er träumt, dass die Taliban versuchen, uns zu entführen und ich wache auf, da ich komische Geräusche höre. Johan behält sein Messer für den Rest der Nacht in der Hand, um uns vor dem Bösen zu beschützen. Heute treffen wir übrigens nur einen holländischen Radfahrer und zwei Autos.





Tag 13: Vom Irgendwo im Nirgendwo bis nach Langar: 44km, 396 Höhenmeter
Heute geht es abwärts von 3.600m auf 2.800m und trotzdem müssen wir fast 400m hochfahren! Das macht doch alles keinen Sinn! Immer wieder treffen wir Radfahrer, die uns erzählen, dass wir ab jetzt nur noch nach unten fahren und alle lügen! Wir schwören uns, den nächsten Radlern zu erzählen, dass sie bald auf Asphalt treffen und die bevorstehenden Steigungen Kinderkram seien. Ansonsten ist der Tag super, wir haben ausgeruhte Beine, den ganzen Morgen keinen Wind und spektakuläre Landschaften um uns herum. Den ganzen Tag dürfen wir – wenn es denn die Straße zulässt – auf den berüchtigten Hindukusch und den unter uns tobenden Pamir schauen. Wir finden einen Homestay mit einer perfekt Deutsch sprechenden Besitzerin. Den Abend verbringen wir mit einer Film-Crew, die eine Bergsteiger-Doku für den mdr dreht. Heute war viel los auf der Straße: zwei französische und zwei Schweizer Radler, sieben Autos und drei LKWs mit vielen Arbeitern auf der Pritsche.







Tag 14: Langar – Ptup, 46km, 350 Höhenmeter
Wir fahren spät los, wieder mal auf schlechten Straßen. Wer auch immer uns erzählt hat, dass die Straße nach Langar besser wird, hat ebenfalls gelogen. Entweder müssen wir durch den Sand schieben, über riesige Felsbrocken hoppeln, werden auf Waschbrett durchgeschüttelt oder fahren auf 20cm tiefem Schotter. Und wenn es dann mal Asphalt gibt, schmilzt dieser, was das Fahren nicht angenehmer macht. Am Abend sind unsere Hintern wund und noch Stunden später vibrieren wir innerlich. Aber genug gemeckert! Die Landschaft hat sich stark geändert. Wir fahren nun am Fluss Panj entlang, der auch hier die Grenze zu Afghanistan markiert. Auch dieses Tal ist von Trockenheit gezeichnet und abgesehen von immer wieder auftretenden Busch-, Birken- und Weidenansammlungen bleibt die Landschaft kahl. Die Dörfer, die wir alle Paar Kilometer durchfahren, kommen uns mit ihren Baum-Alleen, Feldern und Gemüsegärten, die wir seit Osch vor zwei Wochen nicht mehr gesehen haben, wie Oasen vor. Zwischen zwei Dörfern sehen wir in der Ferne zehn bis 20 Männer am Fluss, ein Schlauchboot, das versucht, in Tadschikistan an Land zu gehen und fünf große Geländewägen, die am Straßenrand stehen. Mein erster Gedanke ist, “die angeln”, aber Johan ist schlauer: die Männer schmuggeln Drogen aus Afghanistan nach Tadschikistan. Es wird geschätzt, dass 50% der wirtschaftlichen Tätigkeit Tadschikistans im letzten Jahrzehnt auf den Drogenhandel mit Afghanistan zurückzuführen ist. Wir versuchen, hier so schnell wie möglich wegzukommen. Heute kommt uns eine Gruppe deutscher Radler, deren Gepäck im Auto reist, entgegen, sowie ein LKW und ungefähr 20 bis 30 Autos.










Tag 15: Ptup – Ishkashim: 18km, 341 Höhenmeter
Noch ein Tag, den wir am Liebsten vergessen möchten. Johan hat starke Magenkrämpfe, wir fahren bei sonnigem und stürmigem Wetter trotzdem los. Natürlich fahren wir gegen den Wind, was sonst. Vier Stunden später haben wir gerade Mal 18km geschafft. Die Steigungen mussten wir meist hochschieben, gegen den Sturm war an Fahrradfahren nicht zu denken. Johan markiert sein Revier wie ich vor ein Paar Tagen und wir nehmen uns vor lauter Frust ein Taxi nach Ishkashim, da wir wissen, dass wir die Strecke per Rad unmöglich noch schaffen können.






Glückwunsch zu Euren bisherigen Erfolgen. Wahnsinn… Bei allen Herausforderungen; in jedem Fall durchhalten. Aber das macht Ihr ja sowieso. Eure Fotos begeistern… Man ist fast “live” dabei und möchte es in diesem Augenblick mit eigenen Augen sehen.
Sind bei Euch, F. + Y.
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Vielen Dank, Frank!
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Vielen Dank für Euer schönes und authentisches Reisetagebuch mit den tollen Fotos! Da möchte man sich auch gleich auf den Weg machen!
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