
8. – 11. Oktober 2015 – Nachdem wir unsere Pässe dem vierten usbekischen Soldaten gezeigt hatten, öffnete sich endlich der Schlagbaum und wir waren im Niemandsland zwischen Usbekistan und Turkmenistan. Die erste Hürde war geschafft und die zweite konnte bis zum nächsten Tag warten, dem Beginn unserer Visa für Turkmenistan. Plötzlich rief jemand unsere Namen, und wen sahen wir: Lukas, einen deutschen Radfahrer, den wir bereits auf dem Pamir-Highway und später wieder in Dushanbe und Buchara getroffen haben. Er ist auf seinem Weg nach Hause von China, wo er die letzten drei Jahre studierte. Und jetzt hing er seit fünf Tage im Niemandsland fest, da es Probleme mit seinem Visum gab in der Hoffnung, am nächsten Tag ausreisen zu dürfen. Als wir uns das letzte Mal getroffen hatten, machten wir genau darüber noch Witze, da er nämlich kein Visum im Pass hatte und sich auf eine E-Mail von der Botschaft verließ, die ihm versicherte, er könne sich damit sein Visum an der Grenze abholen. Von zwei französischen Radlern hatten wir am Vortag bereits erfahren, dass Lukas noch festsitzt und haben vorsorglich Essen für ihn gekauft. Zusammen gingen wir in das einzige Lokal am Platz, um uns seine Geschichte anzuhören. Wir bestellten uns Getränke, aber der Wirt wollte keine Dollars annehmen und so ließen wir die Getränke wieder zurückgehen. Lukas wollte erst für uns bezahlen, aber als wir die Preise hörten, die mehr als doppelt so hoch waren als normal, winkten wir ab. Die Getränke kamen dann aber doch wieder zurück, ein iranischer LKW-Fahrer hatte uns beobachtet und sie dann heimlich für uns bezahlt. Die berühmte iranische Gastfreundlichkeit beginnt nicht erst im Iran, sondern bereits Hunderte von Kilometern früher. Später lud uns ein anderer iranischer Trucker ein, im Laderaum seines LKWs zu übernachten. Gemeinsam mit Lukas und den LKW-Fahrern tranken wir Tee und aßen frische Wassermelonen und erfuhren nebenbei, dass einer der Fahrer bereits seit 13 Tagen hier festhing, weil das Ladungsgewicht auf seinen Papieren nicht mit dem tatsächlichen Gewicht auf dem LKW übereinstimmte.

Pünktlich um 8 Uhr standen wir am nächsten Morgen vor der immer noch geschlossenen turkmenischen Grenze. Die Soldaten waren noch damit beschäftigt, die Straße zu wässern und zu säubern und so warteten wir noch weitere 30 Minuten, bevor wir durchgelassen wurden. Unsere Pässe wurden registriert und wir radelten zum Hauptgebäude, wo wir ein Einreiseformular ausfüllen mussten, das wir nicht lesen konnten, denn englische Formulare gab es nicht. Es war auch niemand so richtig interessiert daran, uns zu erklären, welche Informationen benötigt werden und so füllten wir das aus, was wir wussten und bewegten uns zum nächsten Schalter. Wir durften eine Gebühr von 24 Dollar bezahlen und wurden dann von drei Beamten, die hinter einem Tisch saßen recht unfreundlich empfangen. Johan war zuerst an der Reihe und erhielt sofort die Beschwerde, dass das Formular nicht vollständig ausgefüllt sei. Der Beamte ließ sich aber doch herab, ihm zu erklären, was noch ergänzt werden müsse. Um Zeit zu sparen, gesellte ich mich dazu, um auch alles direkt in mein Formular zu übertragen, wurde aber sehr forsch und unfreundlich zurechtgewiesen und aufgefordert, zu verschwinden. Johan durfte mir dann alles nochmals erklären. Als ich dann endlich an der Reihe war, wurde der Beamte wieder äußerst wütend und schimpfte irgendwas auf Turkmenisch. Dann stellte er Fragen über die angegebenen Währungen und ob ich spanisches Geld bei mir hätte. Wahrscheinlich konnte er meine Schrift nicht lesen, denn ich hatte eigentlich die turkmenischen Manat angegeben. Ich bejahte und erklärte ihm, dass in Spanien ebenfalls wie in vielen anderen europäischen Ländern mit dem Euro bezahlt wird. Er schaute mich nur stumm an, blickte wieder auf das Formular und begann plötzlich, alle meine Angaben durchzustreichen und heftig zu schimpfen: “Wrong, wrong, fill in new”. Ich wusste nicht wie mir geschah, bis mir plötzlich ein Licht aufging: das Formular musste mit blauer Tinte ausgefüllt werden und meines hatte ich leider in schwarz beschrieben. Nachdem dieses Thema dann geklärt war wartete ein weiterer Soldat bereits ungeduldig darauf, meine Taschen zu durchsuchen, während ein anderer Soldat an meinem Rad rumfummelte und sich sogar durch meinen Fahrradcomputer klickte. Innerlich kochte ich, ließ mir aber nichts anmerken und lächelte freundlich, um Schlimmeres zu vermeiden.
Um 9.30 Uhr konnten wir dann endlich losfahren. Wir wollten eine lange Strecke hinter uns bringen, da wir ja nur ein Visum für fünf Tage hatten. Der Wind blies heftig, 10km lang von vorne und dann hatten wir endlich einmal Glück und für den Rest des Tages Rückenwind. Unser Ziel war es, in zwei Tagen in Mary anzukommen. Die komplette Strecke führt durch die Wüste und von zwei belgische Radlern, die hier wenige Wochen vor uns geradelt sind, erfuhren wir, dass es vor Mary keine Möglichkeit mehr gibt, um Wasser oder Essen zu kaufen. Also füllten wir unsere Vorräte auf und verstauten insgesamt 21 Liter Wasser auf unseren Rädern. Nur um später festzustellen, dass alle 50km Teehäuser oder Läden waren, bei denen wir hätten einkaufen können. Die Belgier hatten wohl Tomaten auf den Augen! Obwohl wir spät gestartet sind schafften wir am ersten Tag 120km und zelteten zwischen Sanddünen. Es war mittlerweile windstill und wir verzichteten deshalb auf unser Außenzelt, um am nächsten Morgen Zeit beim Abbauen zu sparen. Leider fing es aber kurz bevor der Wecker um 5 Uhr klingelte an zu regnen. Nachdem wir mittlerweile die dritte Nacht wegen unserer Matratzen kaum geschlafen hatten, packten wir völlig noch übermüdet schnell unsere Schlafsäcke und bereiteten unser Frühstück vor, denn mittlerweile war der Regen wieder vorbei. Kaum hatten wir gefrühstückt, fing es wieder an zu regnen, dieses Mal deutlich stärker und wir packten den Rest so schnell es ging zusammen. Um 7 Uhr waren wir dann endlich soweit – viel später als wir eigentlich wollten, der Regen hatte unseren Zeitplan durcheinander gebracht. Wir schoben unsere Räder durch den Sand an den Straßenrand, schleppten unsere Taschen über die Dünen, packten unsere Räder und fuhren los. Und hielten wieder an. Johan hatte seinen ersten Platten. Fluchend tauschte er den Schlauch aus und um 7:30 Uhr ging es dann endlich richtig los. Leider hatte der Wind gedreht. Aber für uns hieß es Zähne zusammenbeißen und tapfer mit noch müden Beinen vom Vortag gegen den Wind antreten. Zur Mittagszeit tauchte plötzlich ein Hotel auf, und wir gönnten uns ein feudales Mittagessen (Laghman) in einer Yurt, während in der Sonne unsere Sachen trockneten. Gut gestärkt kämpften wir uns den Rest des Tages durch die trostlose Wüste und schafften fast 130km.





Wieder schlecht geschlafen und ein zweiter Plattfuß später – dieses Mal an meinem Fahrrad – kamen wir am dritten Tag vormittags in Mary an, von wo aus wir mit dem Zug nach Ashgabat fahren wollten. Es regnete fast den ganzen Morgen. Es war der erste Regen im Jahr und alle waren glücklich, außer wir und wir fuhren zum ersten Mal in kompletter Regenausrüstung. Am Bahnhof wollte uns dann die Schalterbeamtin, die natürlich kein Wort Englisch sprach, Zugtickets verkaufen, Gepäck durften wir aber nicht mitnehmen. Wo gibt’s denn sowas? “No baggage,” wiederholte sie ständig. Nachdem Johan ihr klarmachte, dass unsere Räder sehr wohl mitmüssten, führte sie verschiedene Telefonate und wir bekamen ungefähr zehn Minuten später unsere Tickets für den Mitternachtszug, in dem wir auch unsere Räder mitnehmen durften.
Da es jetzt erst 14 Uhr war, mussten wir viel Zeit totschlagen. Also gingen wir ins lokale Museum, das von unserem Reiseführer so hoch gelobt wurde. An diesem Nachmittag waren wir die einzigen Besucher und wurden die ganze Zeit von einer gelangweilten Dame im grünen Kleid begleitet, die ebenfalls kein Englisch sprach. Wahrscheinlich sollte sie aufpassen, dass wir nichts mitnehmen. Am Interessantesten fanden wir den ersten Raum, durch den wir geführt wurden: hier wurden ungefähr 100 bearbeitete Großaufnahmen des Präsidenten ausgestellt, die ihn auf einem Pferd, in seinem Geländewagen, vor seiner 40-Meter-Jacht, in einem Rennwagen, oder beim Tennis, Fußball, oder Polo, Fahrradfahren oder sogar Baumollpflücken zeigten. So etwas hatten wir noch nie gesehen!







