Daten und Fakten für den Iran:
- Viermal so groß wie Deutschland oder dreimal so groß wie Frankreich
- 78 Millionen Einwohner
- Laut Iran Journal finden im Iran die meisten Schönheitsoperationen der Welt statt. Und wir können das bestätigen: Noch nie haben wir so viele Männer und Frauen mit Pflastern auf den Nasen, Mundschutz oder aufgespritzten Lippen und Wangen gesehen.
- Nachbarländer: Irak, Türkei, Aserbaidschan und Armenien (Westen und Nordwesten), Turkmenistan (Nord/Nordost), Afghanistan und Pakistan (Osten/Südosten).
- Iran ist die Wiege einer der ältesten Zivilisationen beginnend mit den Elamitischen Staaten zwischen 3200 – 2800 v.Chr. Die iranischen Meder vereinten das Gebiet in das erste von vielen Imperien 625 v.Chr. und übernahmen die Führerschaft in der Region (Wikipedia).

13. – 24. Oktober 2015 – Die iranischen Grenzkontrollen waren einfach. Im Niemandsland zog ich mich um, ersetzte kurze Hosen durch lange Hose, kurzes T-Shirt durch lange Tunika und wickelte einen beigen Schal um meinen Kopf. Unsere Visa wurden geprüft und gestempelt und anstelle unser Gepäck zu durchsuchen, hieß uns der zuständige Grenzbeamte im Land recht herzlich willkommen. Nach den letzten für uns sehr merkwürdigen Tagen in Turkmenistan freuten wir uns jetzt auf die iranische Gastfreundschaft, von der wir schon so viel gehört hatten. Aber erst mussten wir durch karge, abgeschiedene und menschenleere Landschaften radeln, bevor wir überhaupt eine Menschenseele treffen sollten. Am Ende dieses Tages hielten wir in einem kleinen heruntergekommenen Dorf, um uns um unseren Schlafplatz zu kümmern. Es dauerte eine geschlagene Stunde bis uns ein Ladenbesitzer einlud, in seinem stark nach Benzin riechenden Lagerraum zu übernachten.



Wir fuhren am nächsten Morgen früh weiter, noch immer den Geruch von Benzin in den Nasen. Der Verkehr hatte plötzlich stark zugenommen, da wir uns nun auf der wichtigsten Transitroute für LKWs zwischen Turkmenistan und der Türkei befanden. Nach den vielen ruhigen Straßen mussten wir uns erst wieder an viel Verkehr und Dieselgeruch gewöhnen. Unsere Ankunft in Quchan, unserer ersten Stadt im Iran, war sehr merkwürdig fühlte. Bisher hatten wir keine einzige Frau gesehen und plötzlich wimmelte es nur so von Frauen, eingehüllt in ihre schwarzen Chadors. Wir wurden angestarrt, ich glaube nicht, dass hier schon viele Touristen durchgekommen sind. Wann immer jemand des Englischen mächtig war, wurden wir angesprochen und immer wurde gefragt, ob wir irgendwelche Hilfe bräuchten. Ein freundliches Ehepaar half mir, ein neues Radoutfit zu kaufen und begleitete uns in viele verschiedenen Läden, bis ich etwas Passendes zum Radeln gefunden hatte. Auch in diesen farbenfrohen Kleidern fühlte ich mich noch ein wenig unwohl, aber die Iranerin meinte, ich müsse auf keinen Fall schwarz tragen wie all die anderen Frauen hier. Sie selbst würde das auch nur zur Arbeit und offiziellen Anlässen so handhaben. Das beruhigte mich erst einmal, da ich nicht unbedingt von der Moralpolizei wegen unsittlicher Garderobe verhaftet werden wollte.






Mehr Schwierigkeiten hatte ich allerdings, mich an das Kopftuch zu gewöhnen und mehr als einmal rutschte es mir von den Haaren, was ich nur aufgrund des Grinsens der Leute um mich herum bemerkte. Diese Reaktion bestätigte mir dann auch, dass sich viele Iraner nicht darum scheren, wie Touristen gekleidet sind und ich fühlte mich dann auch gleich wohler. Und die Ganzkörperverhüllung hat auch ihre Vorteile: Sonnencreme brauchte ich nur noch für Gesicht und Hände, Bad-Hair-Days gehörten der Vergangenheit an und was noch viel besser war, meine Haare wurden nicht mehr so dreckig von den Abgasen, ich sparte also auch Haarshampoo. Außerdem setzte ich meinen Radhelm jetzt immer auf, da ansonsten der Schal weggeweht wäre.
Woran wir uns aber absolut nicht gewöhnen konnten war die plötzlich Zensur, und dass wir keinen freien Zugang zu Informationen mehr bekamen. Nicht nur Facebook und unsere Blog-Website waren für uns gesperrt, auch Nachrichtenseiten, die wir mehr als einmal besuchten, wurden automatisch blockiert. Das Internet war außerdem extrem langsam und funktionierte oft selbst in Großstädten überhaupt nicht. In diesem Land ist alles unter Regierungskontrolle.

Wir waren mittlerweile auf dem Weg in die iranische Wüste, mussten aber erst noch ein Paar Bergkämme überqueren. Bisher warteten wir vergeblich auf die so berühmte iranische Gastfreundschaft, denn wir stellten keine spürbare Veränderung gegenüber Zentral- oder Südostasien fest. Das sollte sich schnell ändern. Wir mühten uns gerade an einem Berg ab und zu unserer positiven Überraschung blies der kalte Wind mal von hinten. Oben angekommen, hielten wir an einer Polizeikontrolle und wurden mit heißem Tee begrüßt. Im nächsten Dorf, wo wir Mittagessen wollten, lud uns der Englischlehrer zu sich nach Hause ein, um bei ihm zu übernachten. Wir lehnten allerdings ab, da wir den Rückenwind ausnutzen wollten, der bei uns ja selten genug vorkommt. Die Landschaft hat uns sehr an Kirgisistan erinnert mit seinen rötlichen, rauen Bergen und der kargen Vegetation. Ungefähr zehn Kilometer vor Ankunft – es wurde schon leicht dämmrig – tauchte plötzlich ein Polizeiauto auf, eskortierte uns in die Stadt und organisierte uns sogar einen kostenlosen Schlafplatz bei einer Raststätte für LKW-Fahrer, wo wir zur Abwechslung mal wieder Kebab aßen.



In dieser Nacht regnete es heftig und wir waren froh, nicht im Zelt zu schlafen. Wir freuten uns jetzt auf unseren ersten richtigen Ruhetag in Sabzevar seit Langem, aber erst mussten wir mit müden Beinen und Johan etwas angeschlagen noch einen Pass hochstrampeln. Belohnt wurden wir wieder von tollem Wetter und atemberaubenden, kargen Landschaften. Nach dem Pass wurden die Straßen plötzlich voll und ich fühlte mich auf der engen Straße sehr unwohl, Johan schien das irgendwie gar nichts auszumachen. Unser Ruhetag in Sabzevar wurde zu einer Ruhewoche, da Johan sich eine Grippe eingefangen hatte und die meiste Zeit im Bett verbringen musste.



Als wir dann endlich wieder weiterfahren konnten, regnete es. Wir fuhren trotzdem los, da wir es hier keinen Tag länger ausgehalten hätten. Zum Regen gesellte sich auch noch Gegenwind und so war der erste Tag nach einer Woche Ruhen sehr beschwerlich. Es regnete immer stärker und die Temperatur fiel drastisch. Gegen Mittag erreichten wir ein Dorf und beim Roten Halbmond, dem islamischen Pendant zum Roten Kreuz, fragten wir, ob wir uns aufwärmen und drinnen essen dürften. Natürlich durften wir das. Vier junge Männer in Uniformen begrüßten uns und setzten uns vor die Heizung. Natürlich durften wir auch nicht unser eigenes Essen auspacken, sondern aßen Dizi mit den Jungs nachdem der iranische Tisch gedeckt war – eine Plastiktischdecke auf dem Boden. Weder Regen noch Wind ließen am Nachmittag nach und so wurden wir eingeladen, in den Räumlichkeiten des Roten Halbmonds zu übernachten, was wir gerne annahmen. Wir hatten beide nicht wirklich Lust, im Regen zu radeln und noch viel weniger Lust im Regen zu campen. Zufällig war dieser Tag auch der Beginn der zehn Tage andauernden Imam Hossain Passionsspiele und am späten Nachmittag kamen dann einige Dorfbewohner mit einer Englischlehrerin vorbei, um uns alle möglichen Fragen zu stellen. Unter anderem, ob wir denn Schwierigkeiten hätten, die iranischen Stehklos zu benutzen. Wir wurden eingeladen, an den Passionsspielen teilzunehmen. Mit dem Auto fuhren wir zur 200m entfernten Moschee. Dann wurden wir nach Männern und Frauen getrennt und ich ging mit der Englischlehrerin in die Frauenmoschee und wurde den bereits über 100 anwesenden Frauen vorgestellt, die in Reihen entlang der Wände eines riesigen Raumes saßen. Alle schauten mich neugierig an und wunderten sich wahrscheinlich, was ich Paradiesvogel in meinen bunten Kleidern unter den vielen schwarzen Gestalten wohl zu suchen hätte. Wir setzten uns dazu und dann wurde auch gleich wieder der Tisch ausgerollt und das Essen serviert: Brot mit Joghurt, Dizi, das ist eine fette Suppe, in die erst Brot eingetunkt wird und danach Hammelfleisch und Gemüse. Die Hauptattraktion war noch immer ich, alle starrten mich an, lächelten und freuten sich, dass ich dabei war. Nach einem kurzen Gebet einer Frau und der Antwort vom Rest der Frauen standen alle auf, umringten mich, um mit mir fotografiert zu werden und gingen dann nach Hause. Das Ganze dauerte nicht länger als eine Stunde und sollte danach noch ganze zehn Tage andauern. Ich war ein wenig enttäuscht, denn am Nachmittag sah ich im Fernsehen, wie sich Männer in schwarz bei einer Prozession selbst kasteiten und ich dachte, so etwas ähnliches würde hier auch passieren. Und bei Johan lief das Ganze ähnlich ab, wie er mir später erzählte.




Nach einer etwas länger dauernden Fotosession fuhren wir am nächsten Morgen bei schönem, eisigen Wetter und mit Gegenwind los. Wir fuhren wieder einmal in Richtung Berge und es ging bis 15 Uhr bergauf. Danach liefen die verbleibenden 40km wie am Schnürchen – wir hatten starken Rückenwind und außerdem ging es nur noch bergab. Das war auch gut so, denn wir wollten unbedingt vor Einbruch der Dunkelheit in Bardaskan ankommen. An diesem Tag erhielten wir jedes Mal, wenn wir anhielten, etwas zu essen. Am Ende des Tage hatten wir zehn Granatäpfel, drei Äpfel, zwei Gurken, ein Reispudding-Dessert, drei volle Tüten mit Pistazien, Schokolade, vier Mandarinen, besondere Kekse aus Kashmar und weiter Kekse eingesammelt. So allmählich bekamen wir ein Gefühl für die iranische Gastfreundlichkeit. In Bardaskan bekamen wir ein Zimmer in der Moschee, wo wir auch die Gemeinschaftsduschen nutzen konnten. Als wir unser Abendessen vorbereiteten, klopfte es und die jungen Männer, die uns zuvor den Weg zur Moschee gezeigt hatten, brachten uns eine große Dose Kekse und luden uns zu sich nach Hause ein. Mit schlechtem Gewissen lehnten wir ab, denn wir wollten am nächsten Morgen früh aufstehen, da ein langer Tag vor uns lag.









